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Wie das Gehirn mit erlebten Traumata umgeht

Das Gehirn hat beeindruckende Fähigkeiten, dass es auch beim Verarbeiten von erlebten Traumata unter Beweis stellt (Bild von freepik).

Das menschliche Gehirn ist ein Wunder für sich. Es ist bemerkenswert anpassungsfähig und widerstandsfähig, aber nicht unverletzlich. Neben schweren Unfällen und Erkrankungen, die das Gehirn direkt betreffen, können auch traumatische Erfahrungen tiefe Spuren in seiner Funktionsweise hinterlassen. Missbrauch oder das Erleben von Gewalt können nachhaltig Wahrnehmung, Emotionen und Verhaltensweisen beeinflussen. Wie aber geht das Gehirn genau mit einem erlebten Traumata um? Und gibt es Möglichkeiten, diese Spuren zu behandeln?

Ist der Mensch in einer traumatischen Situation, befindet sich das Gehirn in höchster Alarmbereitschaft. Das äußert sich in Form einer Stressreaktion, die durch das sympathische Nervensystem ausgelöst wird. Es werden große Mengen von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet, um auf die unmittelbare Gefahr schnell reagieren zu können. Die Reaktion wird auch als „Kampf-oder-Flucht-Reaktion“ bezeichnet und bereitet den Menschen wie beschrieben darauf vor, entweder um das Leben zu kämpfen oder die Flucht zu ergreifen.

Ist das Ereignis jedoch besonders traumatisch durch die Schwere oder durch Wiederholung der Situation im Falle von Missbrauch, kann sich diese Reaktion fälschlich im Gehirn „festsetzen“ und langfristige Veränderungen in der Funktionsweise des Gehirns zur Folge haben. Das äußert sich beispielweise durch Panikattacken, Angststörungen, Bindungsängsten, Albträumen, Zittern und andere Symptome, die durch individuelle Auslöser auftreten können. Nach einem schweren Verkehrsunfall kann ein solcher Auslöser unteranderem das Sitzen hinter dem Steuer sein.

Ein Trauma kann gleich auf mehrere Areale im Gehirn Einfluss nehmen. Die Amygdala, auch als Mandelkern bekannt, ist der emotionale „Alarmknopf“ des Gehirns. Sie erkennt nicht nur Bedrohungen, sondern auch gefährliche Wiederholungen eines bereits erlebten Ereignisses und löst bei Bedarf Angstreaktionen aus. Bei traumatisierten Menschen ist die Amygdala jedoch häufig überaktiv und schätzt potenziell harmlose Situationen als gefährlich ein, was zu einem dauerhaften Zustand der Alarmbereitschaft führt.

Des Weiteren ist auch die Hippocampus als Zwischenspeicher des Gehirns aktiv. In Ruhephasen wie zum Beispiel im Schlaf werden zuvor aufgenommene Informationen verfestigt und zur endgültigen Speicherung als Erinnerungen in andere Hirngebiete weitergeleitet. Bei einem erlebten Trauma kann diese Funktion jedoch so sehr in Mitleidenschaft gezogen werden, dass Gedächtnislücken oder eine Verzerrung der Erinnerung des Ereignisses entstehen. Eine korrekte, detaillierte Wiedergabe des Ablaufes ist nur schwer möglich. Manchmal werden aber auch nur spezifische Bruchstücke der Situation erinnert.

Auch der präfrontale Cortex ist mit involviert. Diese Region ist für rationale Entscheidungsfindung und Regulation von Emotionen verantwortlich. Nach einem traumatischen Erlebnis kann die Aktivität in diesem Bereich beeinträchtigt werden, wodurch es den Betroffenen schwerer fällt, Emotionen zu kontrollieren und auftretende Angstreaktionen zu regulieren. Das macht die Steuerung der Gefühle und das Treffen von rationalen Entscheidungen schwierig, wenn Menschen an das Ereignis erinnert werden.

Nicht in jedem Fall führt ein erlebtes Trauma zu langfristigen Problemen. Nach der Verarbeitung des Ereignisses können viele Menschen in den Alltag zurückkehren und sind nur noch selten von den Folgen des Traumas betroffen. Entwickelt sich jedoch eine posttraumatische Belastungsstörung, abgekürzt PTBS, sind die Reaktionen des Gehirns langfristig vorhanden und lösen unkontrollierbare Reaktionen auf das Trauma aus. Menschen mit PTBS leiden unter Symptomen wie Flashbacks, Schlafstörungen, Reizbarkeit und Vermeidungsverhalten.

Das Gehirn hat jedoch die Fähigkeit zur Neuroplastizität. Hinter diesem Wort steckt die einzigartige Fähigkeit, durch Erfahrungen und Lernprozesse Areale im Gehirn neu zu strukturieren und zu verändern. Sie bildet eine wichtige Grundlage für die Heilung von Traumata. Psychotherapeutische Ansätze wie die kognitive Verhaltenstherapie nutzen die Neuroplastizität des Gehirns, um die Verarbeitung des Traumas zu verbessern und die übertriebenen Angstreaktionen zu reduzieren. In der Traumatherapie lernen die Betroffenen so Schritt für Schritt, Reaktionen zu kontrollieren und die traumatischen Erinnerungen in eine neue Perspektive zu rücken. Das Gehirn selbst kann nicht „vergessen“, lernt aber im Laufe der Zeit mit dem Erlebnis umzugehen und es durch neue, positive Erfahrungen erträglicher zu machen.

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